Wird in der ungezähmten Mörrum der erste Lachs entdeckt, verbreitet sich das schneller, als der beliebte Speisefisch stromaufwärts kommt. Nordschweden ist das Elysium für Spinnfischer.
Smoke on the water
„Es ist wie ein Fieber. Alle haben das Lachsfieber. Sie drehen durch.“
Per Perssons Augen leuchten, als er beschreibt, was jeden Frühling passiert, wenn es sich in der schwedischen Kleinstadt Mörrum herumspricht, dass der erste Lachs der Saison gesichtet wurde.
„Irgendjemand sagt dann: ‚Wir haben sie in den Pools gesehen, in der Nähe vom Meer. Sie kommen! Die Lachse kommen!‘ Und von da an können wir alle nur noch an eins denken: an Lachs. Wir können nichts mehr essen und wir können nicht mehr schlafen. Wir wollen einfach nur noch angeln!“
Ein Fluss voller Inspiration
Die Mörrum in der südschwedischen Region von Sveaskog & Mörrums Kronolaxfiske ist einer der besten Orte auf der Welt zum Fliegenfischen. Schon mindestens seit dem 13. Jahrhundert werden Angler von diesem Ort magisch angezogen. Die Mörrum fliesst durch die üppigen Wälder von Blekinge und bietet mehr als 15 km lang ergiebige Wasserflächen zum Angeln – sogenannte Pools. Ein echtes Anglerparadies. Reusen und Netze wurden zwar durch Ruten und Leinen ersetzt, doch der Traum bleibt derselbe: den dicksten Fisch zu fangen – den Riesenlachs oder die Riesenforelle, die die Skala sprengt. Nur wenige kennen die Mörrum so gut wie Per. Das Angeln liegt ihm einfach im Blut. Er ist 37 Jahre alt und angelt schon sein ganzes Leben lang in dem Fluss. Als Teenager fuhr er Freitagabends in seiner Heimatstadt Malmö los, um am Wochenende in der Mörrum zu angeln und im Wald zu campen.
„Wenn ich mich auf das Angeln konzentriere, bin ich einfach nur entspannt“, sagt er. „Ich werde dann richtig kreativ. Beim Angeln habe ich viele neue Ideen.“
Und eine solche Idee hatte er vor vier Jahren ...
Der Traum von einer Räucherei
Nachdem er im Jahr 2013 aus Brasilien zurückkehrte, wo er für das schwedische diplomatische Korps gearbeitet hatte, verbrachte Per einige Wochen an der Mörrum zum Angeln. Dort sah er, dass die städtische Räucherei zum Verkauf stand. Seit ihrem Bau im Jahr 1895 kann sie auf eine illustre Vergangenheit zurückblicken. In ihren besten Jahren – während der Nachkriegszeit – beschäftigte die Räucherei 200 Mitarbeiter und räucherte pro Tag 40 Tonnen Fisch, was in etwa 4.000 Fischen entspricht. Sie exportierte Räucherlachs in die ganze Welt. Sogar die schwedische Königsfamilie zählte zu ihren Kunden. Doch als die Lizenz für das traditionelle Räuchern von Fisch mit Holz auslief und gemäss der EU-Vorschriften ein elektrischer Ofen eingebaut werden musste – was eine erhebliche Investition darstellte – begannen schwierige Zeiten für den Inhaber. Die Nachfrage nach traditionell geräuchertem Fisch sank immer weiter. Im Jahr 2007 musste er die Räucherei schliessen. Per erkannte das Potenzial der ehemaligen Räucherei sofort.
„Ich hatte das Gefühl, dass das Gebäude mit seiner einzigartigen Atmosphäre und seiner Lage geradezu dafür gemacht war, als Angler-Lodge betrieben zu werden“, erklärt er. „Das war die einzige Option.“
Er beendete seine diplomatische Karriere, kaufte die Räucherei und begann damit, sie in eine Angler-Lodge umzubauen – mit warmen Zimmern, in denen die Wathosen zum Trocknen aufgehängt werden können, Zimmern zum Aufbewahren der Ruten und mit einigen Führern, die den Besuchern zur Seite stehen und ihnen Tipps zu den Pools und zur Nutzung der richtigen Fliegen geben.
Superautobahn für Lachse
Heute begrüsst die Mörrum River Lodge Angler aus der ganzen Welt. Sie werden nicht nur von der herausragenden Schönheit der Natur in der Region angezogen, sondern auch von den anspruchsvollen Gewässern der Mörrum.
„Wenn du einen Trophäenfisch fangen möchtest, bist du hier genau richtig. Normalerweise gibt es in einem Fluss entweder kleine Lachse und grosse Forellen oder grosse Lachse und kleine Forellen. In der Mörrum gibt es beides“, meint Per.
Die Mörrum ist eine Art Superautobahn für Lachse und Forellen. Jeden Frühling verlassen sie die Ostsee und schwimmen flussaufwärts auf der Suche nach den Laichplätzen ihrer Vorfahren. Da sie sich vor allem von öligen Fischen wie Heringen ernähren, werden die Lachse relativ gross und bringen im Durchschnitt 12 kg auf die Waage. Die Forellen, die in der Mörrum gefangen werden, wiegen im Durchschnitt 5 kg.
Der wundervolle Duft des Rauchs
Nachdem er die Räucherei gekauft hatte, musste er grosse Teile des Gebäudes renovieren – darunter auch den Keller, in dem in der Vergangenheit Aalbecken gestanden hatten. Trotz der Renovierungsarbeiten kann man schnell erkennen, wie das Gebäude früher genutzt wurde. An einer Wand ist noch immer der Name des Gründers zu finden – Mattson. Und auch die symbolträchtigen Kamine zeugen noch von vergangenen Tagen. In einigen Bereichen ist die Vergangenheit sogar unauslöschlich. Eines der Zimmer wurde als Ofen verwendet, in dem Lachse, Forellen und Aale an Haken gehängt und geräuchert wurden. Im Laufe der Jahre hatten sich die Wände und die Decke durch die Asche und den Russ schwarz gefärbt. Als Per aus diesem Zimmer ein Schlafzimmer machte, verwendete er eine spezielle Farbe, um die Verfärbung zu überdecken. Doch die Vergangenheit liegt noch in der Luft.
„Man kann noch immer schwach den Geruch des Holzrauchs wahrnehmen“, sagt er. „Aber es ist ein lieblicher Geruch.“
Bis zur Perfektion geräuchert
Eine weitere fantastische Verbindung in die Vergangenheit ist Jan Lindblom. Er betreibt die Küche in der Mörrum River Lodge, in der er deftige Speisen für die hungrigen Angler zubereitet. Vor 15 Jahren arbeitete er noch in der Räucherei. Eine seiner Aufgaben dabei war es, den Fisch zur Perfektion zu räuchern. Es ging vor allem um das richtige Timing, erklärt der 62-jährige Koch. Und das gilt noch heute – auch bei der Verwendung von kleinen Smokern oder Grills für den Heimgebrauch.
„Sie sind einfach fantastisch, weil sie so benutzerfreundlich sind. Und der Rauch verleiht dem Fisch ein tolles Aroma“, erläutert er. „Aber man muss der Versuchung widerstehen, in den Smoker hineinzuschauen. Sonst tritt der ganze Rauch aus.“
Rauchholz-Empfehlungen vom Kochprofi Jan Lindblom
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Eine köstliche Tradition
Selbstverständlich wird nicht nur in Schweden Fisch geräuchert. Schon seit Jahrhunderten nutzen die Menschen auf der ganzen Welt Rauch zum Konservieren und um sicherzustellen, dass die Lebensmittel gefahrlos gegessen werden können. Viele der bekanntesten Räuchertraditionen stammen aus einem raueren Klima, in dem die Menschen lange von geräuchertem Fisch und Fleisch abhängig waren, um den Winter zu überstehen. Dennoch zählt das Räuchern – neben dem Fermentieren, Beizen und Pökeln – schon lange zum Kern der kulinarischen Identität Schwedens. Jan, der in der Nachkriegszeit aufwuchs, erinnert sich gerne daran, wie sein Vater in ihrem Garten Fisch räucherte. Er erinnert sich auch noch an die Zeiten, in denen es in jeder Kleinstadt eine eigene Fischräucherei gab.
Die Welt des Holzes
Heute geniesst Jan es, die Tradition zu bewahren. Allerdings in einem viel kleineren Massstab und mit einem Fokus auf die Gastronomie und nicht auf die Lagerung von Lebensmitteln. Wie auch viele andere Schweden bevorzugt er zum Räuchern Erlenholz. Dieses Holz wächst in den Wäldern um Mörrum in Hülle und Fülle – wie auch Kiefern, Buchen, Eichen und Tannen. Er hat aber auch eine Vorliebe für Apfelholz, das dem Fisch ein leicht süssliches Aroma verleiht, und für Pekannuss entwickelt, das für eine gewisse Herbheit sorgt. Für das Räuchern von Fleisch bevorzugt er Hickory. Wichtiger als die Auswahl des Holzes ist allerdings das Räuchern selbst, meint Jan. In erster Linie kommt es auf die richtige Temperatur an. Ist sie zu hoch, ist der Fisch ruiniert.
„Der Fisch soll geräuchert werden, nicht gekocht“, bemerkt Jan trocken.
Vor Kurzem hat er in der Angler-Lodge wieder damit begonnen, Fisch zu räuchern. Jetzt können sie auf der Speisekarte eigenen geräucherten Lachs anbieten. Und der köstliche Duft des Rauchs erfüllt wieder die Räume der Räucherei. Im November laichen die Lachse wieder an jenem Ort, an dem sie schlüpften – hinter demselben Stein oder in demselben Pool. Wenn der lange skandinavische Winter endet, werden sie sich wieder auf den Weg in die Ostsee machen. Und wenn sich die Lachse dann auf ihre eigene Reise zu den Laichgründen ihrer Vorfahren machen, schwimmen sie wieder flussaufwärts. Nach der ersten Sichtung wird wieder das Flüstern beginnen – „Hast du schon gehört? Ist es wirklich wahr?“ – und schon bald hat das Lachsfieber die kleine Stadt in Südschweden wieder voll im Griff.